Wie man lästige Konkurrenz loswird

Das Netzwerktreffen

von Lisa Keskin

Bilder: freepik.com (romeo)

Steh ich letztens bei einem Netzwerktreffen herum, in der einen Hand eine Tasse Kaffee, in der anderen meine Visitenkarte, im Kopf meinen Elevator Pitch als Autorin, da hör ich hinter mir ein Gespräch mit.

„Was machst du so beruflich?“
„Ich schreibe Sachbücher!“

Wie von der Tarantel gestochen fahre ich herum.
Wer? Wie? Was? Das ist mein Claim!
Etwas anders zwar, und eigentlich in die Zukunft gedacht, aber die Quintessenz ist genau die:
Ich schreibe Bücher!

Mein Auge fällt auf eine unauffällige Frau mittleren Alters, Brille, die Haare in einem lässigen Vogelnest zusammengerafft, Jeans, Rollkragenpullover – und mit einem riesigen Smile von einem Ohr zum anderen. Eh voll sympathisch, aber die wildert in meinem Revier! Als mich ihr strahlender Blick genau zwischen die Augen trifft, wende ich mich rasch meinem Sitznachbarn zu.

„Wie bitte?“
„Ich wollte nur fragen, was du so machst!“
Und noch bevor ich antworten kann, redet er weiter:
„Ich bin Schreiberling. Hauptsächlich Webseitentexte und SEO-optimierte Blogartikel, aber manchmal auch Bücher, wenn mir das Thema liegt.“

Wie jetzt? Noch einer, der schreibt? Das kann’s ja nicht sein!
Ich spüre, wie ich flacher zu atmen beginne.
Ich muss hier weg!

Also entschuldige ich mich hastig und eile Richtung Toilette.

Doch auch das stille Örtchen ist nicht mehr das, was es einmal war. Ich hab mich gerade halbwegs bequem auf der Muschel niedergelassen, da höre ich Stimmen im Vorraum. Kommen da doch zwei junge Frauen herein, den Stimmen nach maximal Mitte 20. „Ich hab gerade meinen ersten Thriller abgeschlossen. Präsentation  ist in zwei Monaten, mit großer Party. Kommst du? Du kannst ur gern auch aus deinem Buch was vorlesen. Passt eh zum Thema. Oder machen wir‘s gleich miteinander? Dann haben wir mehr Zuhörer!“

Die Antwort der anderen höre ich schon nicht mehr – ich sitze auf der Brille, den Kopf, in dem das Blut immer vernehmlicher rauscht, zwischen den Knien und versuche, nicht zu hyperventilieren. In welchen Alptraum bitte bin ich da reingeraten? Schreibt die ganze Welt nur noch Bücher? Bin ich nix Besonderes mehr?

Als sich die beiden endlich wieder fröhlich kichernd aus dem Vorraum verzogen haben, verlasse auch ich unauffällig die Stätte des Grauens. Doch der Horror geht weiter. Am Buffet drängen sich  die Hungrigen: Männer, Frauen, everything in between. Und fast alle haben stolz ein Buch unter den Arm geklemmt, manche sogar mehrere.
‚Wo bin ich da reingeraten?‘, frage ich mich nochmals, diesmal schon etwas dringlicher.

Als ich meine Augen durch den Raum wandern lasse, scheinen mich die Bücher von allen freien Flächen anzuspringen. Und zu jedem Buch gibt‘s eine stolze Autorin oder einen stolzen Autor.

„ICH BIN ETWAS BESONDERES!“, möchte ich schreien. „ICH WILL EUCH NICHT!“
Aber aus meiner Kehle dringt nur ein leises, verzweifeltes Krächzen.

Ich muss hier raus, laufen, soweit mich meine Beine tragen!
Eine Veranstaltung, auf der es vor Konkurrenz nur so wimmelt! De schreiben alle – und vielleicht auch noch besser als ich!

Ich kralle meine Jacke und den Laptoprucksack und renne fast Richtung Ausgang. Ich habe mein Ziel schon vor Augen, als plötzlich die Frau mit der Vogelnestfrisur vor mir steht, als hätte sie sich soeben aus dem Nichts manifestiert.

Sie strahlt mich an: „Schön, dass du da bist! Was schreibst du denn so?“
„Ach, nichts Besonderes“, murmle ich in meinen Bart, den ich mir in diesem Augenblick, obwohl ich eine Frau bin, sehnlichst wünsche. „Einfach einen Roman über etwas, das ich erlebt habe!“

Ich will mich schon abwenden und endlich aus dem Staub machen, als ihre Worte mich innehalten lassen: „Wie spannend! Weißt du, ich finde es einfach so schön, wie groß unsere Vielfalt ist! Jeder und jede von uns schreibt etwas anderes – und jeder und jede in einem anderen Stil. Manche haben am Anfang Angst, dass sie gegen die andern abstinken, aber ich kann dir versichern, dass es Platz und Leserinnen für uns alle gibt! Das ist ja das Großartige: Man kann mehr als ein Buch lesen! Aber komm erstmal mit, wir haben gleich unsere Vorstellungsrunde, da kannst du dir selbst ein Bild machen! Und wenn du magst, kannst du etwas aus deinem Manuskript vorlesen! Bitte nicht länger als fünf Minuten, sonst sprengt es den heutigen Rahmen, aber wir würden gerne was von dir hören! Später gibt es für die, die das wollen, auch Feedback. Aber keine Angst, wir gehen wohlwollend miteinander um – wir alle wissen, wie schwer es gerade am Anfang ist, das Eigene mit anderen zu teilen!“

Widerwillig stelle ich fest, dass ich diese Frau nicht hasse. Und eigentlich, das wird mir im Zuge der Vorstellungsrunde bewusst, der ich mich zögerlich, aber doch, angeschlossen habe, sind die Leute alle sympathisch. Und hilfsbereit. Und gar nicht so wie ich. Sie sehen nämlich die anderen nicht als Konkurrenz, ganz im Gegenteil! Die kooperieren, tauschen sich aus und unterstützen sich gegenseitig mit Tipps, Kontakten oder Erfahrungen. Seltsames Konzept, denke ich noch, als ich plötzlich und heftig vom Schrillen meines Weckers in die Gegenwart zurückgewiesen werde. Das könnte man doch …

Noch beim Frühstückskaffee verfolgen mich die „Erinnerungen“ an dieses kuriose Netzwerktreffen, als plötzlich auf meinem Handy ein Newsletter aufpoppt: „Unbe-SCHREIB-lich! Erstes Netzwerktreffen der schreibenden Zunft in Wien! Sei dabei!“

Hat dein Herz beim Lesen ein wenig schneller zu klopfen begonnen?

Ja? dann hab ich gute Nachrichten für dich: „Unbe-SCHREIB-lich“ wird es ab diesem Herbst in Wien geben. Live und in Farbe.
Oder, wenn du zu weit weg wohnst, online und ebenfalls in Farbe. Nur eben ohne Kaffee. Oder nur mit dem Kaffee, den du dir selbst neben deinen Laptop oder dein Handy stellst, während du mit uns streamst.

Mehr dazu bald – und wenn du magst, kannst du uns schon eine Nachricht senden, damit wir dich informieren, sobald es losgeht!

Deine Lisa vom Buchtraum